Wissen Sie was 1619 war? Da hat ein Brüsseler Bildhauer dat Männeken Piss gemeißelt, seit der Zeit DAS Symbol für Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Und für Kleinkunst, die so heißt, weil dat Dingen vom Männeken ziemlich klein geraten ist.

Das ist nun 4oo Jahre her und ebenso seit 4oo Jahren, wenn auch nur gefühlten, bin ich als Kleinkünstler unterwegs.

Aus dieser langen Reihe von Jahren komme ich Ihnen mit dem ein oder anderen zu Ihrem Vergnügen: was es so mit der rheinischen Relativverschränkung auf sich hat (da kommen auch hartgesottene Lateiner ins Stottern!), wie das mit dem Ei ist, wenn man es durch die deutschen Sprachlandschaften kullern lässt und was das rheinische Alibi ist (ein Mitschnitt aus der Wirklichkeit übrigens).

Dazu kommen staunenswerte Wahrheiten ans Licht: was denn das Niesen mit Sex zu tun haben soll, wie musikalisch Sprache sein kann, wenn man kein Wort versteht und es ist dennoch deutsch und wie der Rheinländer sich stundenlang über nix (im wahrsten Sinne des Wortes: N-I-X!) bestens unterhalten kann.

Vielleicht kommt die Frau Walterscheidt auch zu Worte, sie konnte ja die schwersten Themen auf die rheinische leichte Schulter nehmen, kurz: Dialekte, Rheinisch, e bißje Züscholorie und viel Witz.

Beikircher eben wie man ihn mag (und mochte), quasi Conférencen aus dem Kleinhirn.

Premiere im Senftöpfchen
Kabarettist Konrad Beikircher feiert die rheinische Seele

Köln – Die rheinische Seele ist ein robustes, aber komplexes Ding. Seit gefühlten 400 Jahren leuchtet Konrad Beikircher sie bis in die hintersten Winkel aus. Eine Überfülle an Erkenntnis ist dabei zutage getreten, aus der der 73-jährige Kabarettist, der passenderweise in jungen Jahren Psychologie studiert hat, ein Programm zusammengestellt hat – „400 Jahre Beikircher“ eben. Am Samstagabend hatte er damit im Senftöpfchen Premiere.

Von Brüssel nach Köln

Aber warum gerade 400 Jahre? Weil anno 1619 das Brüsseler „Manneken Pis“ geschaffen wurde und diese Figur ob des recht klein geratenen „Dingens“ seitdem als Schutzpatron der Kleinkünstler gelte. Meint jedenfalls Beikircher und schlägt so elegant die Brücke zwischen rheinischer „Züscholorie“ und Kabarett.

Dabei hangelt er sich in seinem „Best of“ in gewohnt pointierter Manier durch die sprachlichen Eigenheiten der Region. Treffendes Beispiel für die Denkweise der Rheinländer der Ausspruch: „Ich han se nit verjesse, ich han nur nit dran jedaach.“

Beikircher schaut über Tellerand hinaus

Beikircher, in Südtirol geboren und seit 1965 nicht nur sprachlich voll integrierter Bonner, schaut aber über den rheinischen Tellerrand hinaus. Er erinnert sich an die kindliche Suche nach dem Unterschied der Geschlechter und dem damit zusammenhängenden Loch im Zaun der Brunecker Freibad-Kabinen, er erzählt äußerst anschaulich vom Erkunden des Geschmacks einer Alpenpizza, sprich eines getrockneten Kuhfladens. Als Psychologe registriert Beikircher berufsbedingt menschliche Typologien, etwa „Singles, Eheleute und stille Teilhaber“, und er stellt eine verblüffende Rangfolge auf: „Wie der Mann niest, so liebt er auch.“ Die Demonstration – des Niesens, versteht sich – geht er mit vollem Körpereinsatz an, was ihm auf der Bühne prompt Nasenbluten einhandelt.

Kurz lässt Beikircher die legendäre, keifende Bäckersfrau Walterscheidt aufleben, mit der 1984 im Radio sein Kabarettisten-Leben begann. Und er hebt Arno Steffen, das „S“ der ebenso legendären Band LSE, in den rheinischen Olymp. Steffen, jener „am hellsten brennende Docht in der kölschen Kerze“, hatte 1991 auf der CD „Das Herz der Kölner“ den Leuten einfach aufs Maul gehört und daraus entlarvende Klangcollagen gebastelt, wovon Beikircher eine rezitiert. Und somit die kölsche Seele selbst zu Worte kommen lässt.

Von Horst Piegeler. Fotos: Peter Rakoczy, Kölner Stadt Anzeiger vom 06.01.2019